Menschen verbinden - promitto Dialoge

Menschen verbinden –
Dialog mit Gerhard Ecker

Unser nächstes Gespräch führen wir mit Gerhard Ecker. Gerhard Ecker ist Professor für Pharmakoinformatik und Dekan der Fakultät Life Sciences an der Universität Wien.


Wie geht es dir mit der aktuellen Situation?

Eigentlich dachte ich, dass ich nun etwas Zeit haben werde, um wieder einmal selbst ein paar Modellierungen zu machen, vielleicht sogar an der Identifizierung möglicher Substanzen gegen SARS-CoV-2 mitzuwirken. Leider bin ich dichter getaktet als zuvor. Alles über Webmeetings abzuwickeln birgt die Gefahr, dass man keine Pausen macht, und alle informellen Gespräche in der Teeküche oder am Gang fallen weg. Ich rede daher den ganzen Tag auf meinen Bildschirm ein. Das Gute an der Situation ist, dass ich nun konsequent um 18:00 Schluss mache, um das Abendessen für meine Frau vorzubereiten, wenn sie aus der Apotheke heimkommt.

Was ist eigentlich ein Virus, und ist Corona ein neues Virus?

Viren sind mikroskopisch kleine Partikel, die, im Gegensatz zu Bakterien, nicht selbstständig existieren können. Sie benötigen immer einen Wirtsorganismus, um sich zu vermehren. Wenn sie einen Organismus befallen, dann schleusen sie sich in die Zellen ein und zwingen diese, neue Virenpartikel zu produzieren. In manchen Fällen führt das zum Tod des gesamten Organismus. Im Falle von SARS-CoV-2 handelt es sich um ein Virus, das vermutlich in Fledermäusen vorkommt. In manchen Fällen gelingt es Viren jedoch, die Spezies zu wechseln und sich auch z.B. im Menschen anzusiedeln. Dies ist leider auch bei SARS-CoV-2 passiert. Somit handelt es sich um ein für den Menschen neues Virus. Daher haben wir keine Abwehrstoffe, keine Impfung, und auch noch keine Arzneimittel.

Wie kommt man rasch zu neuen Arzneistoffen gegen COVID 19 Infektionen?

Die Entwicklung eines neuen Arzneistoffes dauert etwa 10 Jahre und kostet mindestens 2 Milliarden Euro. Warum hat man nun bei Corona so rasch mögliche Arzneistoffe in klinischer Prüfung? Hier bedient man sich des sogenannten Repurposings: das Verwenden bereits vorhandener Arzneistoffe mit der Hoffnung, dass einer auch bei Corona wirkt. Dies ist deswegen wesentlich schneller, weil man die vielen Tests, die notwendig sind um die Sicherheit eines neuen Arzneistoffes zu garantieren, nicht mehr machen muss. Wenn ein Arzneistoff bereits auf dem Markt ist, dann kennt man die zu erwartenden Nebenwirkungen und kann daher das Risiko ganz gut einschätzen. Auch bei den derzeit gegen Corona getesteten Substanzen ist man diesen Weg gegangen. Wie schnell man hier sein kann, und wie die globale Vernetzung in Kombination mit Big Data Analytics diese Forschung stimuliert, kann sehr gut z.B. auf innophore.com nachvollzogen werden.

Warum unterschätzen wir Exponentialfunktionen?

Viele von uns sind schon einmal mit folgender Scherzfrage konfrontiert worden: die Seerosen in einem Teich verdoppeln sich jeden Tag. Nach 10 Tagen ist der halbe Teich voll, wann ist der ganze Teich mit Seerosen gefüllt? Instinktiv möchte man 20 Tage sagen, aber es ist natürlich am nächsten (11.) Tag. Wir nennen dies ungehemmtes natürliches Wachstum. Dabei geht man davon aus, dass sich Organismen (Seerosen, Zellen, Bakterien) in einem bestimmten Zeitraum in 2 Tochterzellen teilen. Diese teilen sich wieder in 2 Zellen, usw. Nun ein kleines Rechenbeispiel: wir starten mit 1000 Corona Infizierten, und die Zahl der Infizierten verdoppelt sich alle 2 Tage. Nach 2 Tagen haben wir 2000, nach 4 Tagen 4000, nach 6 Tagen 8000, ….. und nach nur 20 Tagen über 1 Million (1.024.000) Infizierte!

Vielen Dank für deine Gedanken!