Menschen verbinden - promitto Dialoge

Menschen verbinden –
Dialog mit Martin Mayr

Unser 14. Gespräch führen wir mit Martin Mayr. Martin Mayr ist Geschäftsführer der Integral Markt- und Meinungsforschung. Er arbeitet seit Jahren mit dem Modell der „Sinus-Milieus“, einem soziodemografischen Ansatz der 10 typische gesellschaftliche Lebenswelten definiert.


Was war mit Blick auf die Gesellschaft überraschend?

Das war doch die sehr hohe Geschlossenheit der Sicht zum Thema Corona, die Ende März vorhanden war. Es kommt nicht so oft vor, dass praktisch alle gesellschaftlichen Gruppen und Milieus ein Ereignis so einheitlich beurteilen. Und der Treiber dahinter war ganz klar die Sorge um die Gesundheit, die eigene Gesundheit und die Gesundheit der Familie und Freunde. Mitte Mai war dann die Sorge um die Gesundheit schon deutlich reduziert, die wirtschaftlichen Auswirkungen sind als Problemfeld in den Vordergrund getreten und damit sind auch die Unterschiede in der Einschätzung und Bewertung der Situation zwischen den gesellschaftlichen Milieus wieder deutlich größer geworden. Wir haben also mit Corona einen Moment einer ungeheuren gesellschaftlichen Homogenität und Geschlossenheit erlebt.

Sind wir jetzt alle digital?

Ja und nein. Es gibt wesentliche gesellschaftliche Milieus, wo sich nichts oder wenig verändert hat. Das sind einerseits – wenig überraschend – die modernen elitären Milieus wie etwa die „Digitalen Individualisten“ oder die „Performer“. Die hatten keinen Digitalisierungsschub nötig, die sind längst angekommen. Wenig getan hat sich auch in den sozial schwächeren Milieus wie etwa der „Konsumorientierten Basis“. Abgespielt hat sich der Digitalisierungsschub in den „Milieus der Mitte“ bzw. den gehobenen Milieus in traditionellen Bereich, etwa der „Etablierten“ oder den „Konservativen“ und „Postmateriellen“. Die Ursachen sind zum einen ein massiver „digitaler Arbeitsschock“, zum anderen die Notwendigkeit, sich hinsichtlich der Kommunikation mit Freunden und Verwandten weiter zu entwickeln Man könnte sagen diese Milieus haben in der Digitalisierung durch Corona die Kluft zu den digitalen Eliten verringert, dafür ist der Abstand zu den sozial schwächeren Milieus größer geworden.

Wie bedeutend ist Nachhaltigkeit, wenn das eigene Leben gefühlt gefährdet ist?

Das Thema ist in der heißen Corona-Phase natürlich in den Hintergrund getreten. Aber es kommt mit Sicherheit wieder und das beginnt ja schon merkbar. Allerdings gewinnt die Sorge um die „Wirtschaft“ auch stark an Bedeutung. Und da zeichnet sich bereits ein starkes gesellschaftliches Spannungsfeld ab – nämlich wie stark das Wiederbeleben der Wirtschaft auf Aspekte der Nachhaltigkeit Rücksicht nehmen muss. Hier gibt es fundamentale Unterschiede in den Werten und Einschätzungen der verschiedenen gesellschaftlichen Milieus. Das Thema wird uns also in Zukunft massiv beschäftigen und für viel Diskussion sorgen.

Vielen Dank für deine Perspektive!