Menschen verbinden - promitto Dialoge

Menschen verbinden –
Dialog mit Wolfgang Stahl

Unser nächstes Gespräch führen wir mit Wolfgang Stahl. Wolfgang Stahl ist Regisseur, Coach und Dramaturg für Film, Theater und Unternehmen.


Wie geht es dir?

Wenn ich mich auf die neue Situation und die Entschleunigung einlasse, betrete ich teils Neuland und lerne mich und meine Umwelt in dieser Extremsituation besser kennen. Da erlebe ich durchaus interessante und positive Überraschungen.
Natürlich finde ich die Situation auch beängstigend, denn das Virus ist eine Gefahr für uns alle. Zudem bewirkt es gesellschaftspolitische Veränderungen und auch diese bergen Gefahren, auch, weil wir Neuland betreten. Zunächst finde ich die Einschränkung von Handlungs- und Entscheidungsfreiheit beängstigend, auch in einer Krise. Und dann weiß man bekanntlich erst zum Schluss, wie sie ausgeht, ob es ein gutes Ende gibt, oder ob es eine endlose Geschichte wird – wie ein Film, der nie endet…

Hat der Virus eine Dramaturgie?

Seit Aristoteles beschäftigt sich die Dramaturgie mit der Frage: Was macht eine spannende Geschichte aus und wie funktioniert sie? Also, wie erzähle ich am besten eine Geschichte, die zum Beispiel von einem Virus handelt?
Ein Virus fungiert in unserem Fall als Impulsgeber (das ist auch seine Funktion in der Evolutionsgeschichte). Wie wir mit ihm umgehen, daraus entsteht eine neue Geschichte, also bestimmen wir auch deren Dramaturgie.
Anstoß für Geschichten sind meist außergewöhnliche Ereignisse oder Feinde, die die Menschen zum Handeln und zur Veränderung drängen. Nach der Phase der Weigerung, die wir bereits hinter uns haben, folgt die Entscheidung, sich der Herausforderung zu stellen. Wie wir den Kampf gestalten, hängt davon ab, wie intensiv wir uns mit dem Gegner, aber auch mit uns selbst auseinandersetzen.
In dieser Phase befinden wir uns aktuell, denn wir versuchen mit aller Kraft Mittel gegen das Virus zu finden und denken gleichzeitig über Potentiale und Möglichkeiten von Veränderung nach. Die Dramaturgie unterstützt normalerweise AutorInnen auf der Suche nach neuen Wegen und gibt ihnen als Krisenmanager Orientierung. Seit jeher begreift die Dramaturgie Krisen als Potential für Entwicklung.
Die Frage, wie es weitergeht und welche Handlungen in der neuen Geschichte festgeschrieben werden, hängt immer von den Entscheidungen der AutorInnen ab. Zusätzliche Spannung besteht nun darin, welche Verantwortlichen sich als AutorInnen dieser Geschichte durchsetzen werden.

Helfen Geschichten in der Krise?

In der Dramaturgie nennt man eine Reise, in der wir neue Aufgaben meistern und daran wachsen, eine HeldInnenreise.
Wenn wir uns an die vielen HeldInnenreisen erinnern, die wir seit unserer Kindheit kennen, helfen sie uns auf jeden Fall, weil sie von Menschen in Krisen erzählen und uns Beispiele erlebbar machen, wie wir Krisen meistern können. Und: Sie unterhalten und verbinden.

Vielen Dank für deine Gedanken!